ststs
Edle Strecken und Kunstbauwerke
zur Kontinuität einer fragwürdigen Mobilisierung – der Drackensteiner Hang als Mahnmal
Nach der Ausstellung im Württembergischen Kunstverein nun Teil 2 im Kunstraum West Ulm
Ausstellungsdauer: 3. Februar bis 3. März 2024
Der Drackensteiner Hang ist ein Autobahnabschnitt der A 8 zwischen Stuttgart und Ulm, der die Höhenkante der Schwäbischen Alb überwindet. Er trägt seit dem Jahr 2018 den Beinamen „schönste Autobahnstrecke Deutschlands“, wurde 1936 begonnen und steht aufgrund seiner ästhetischen sowie bautechnischen Qualität der zu größeren Teilen während des Nationalsozialismus gebauten und seither nahezu unveränderten Streckenführung mit der Bogenbrückenarchitektur von Paul Bonatz (1877–1956) unter Denkmalschutz.
Der Autobahnbau wurde ab 1933 umgehend nach der Machtergreifung als Konjunkturprogramm von den Nationalsozialisten vorangetrieben und zu ihrem – in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung bis heute – positiv konnotierten Vorzeigeprojekt ausgebaut. Bewusst für die Zukunft als von Deutschland ausgehendes Weltprojekt propagiert, wirkt der damit begründete Mythos (Reichs-)Autobahn kontinuierlich nach, obwohl ihn Fakten widerlegen und seine negativen Seiten offensichtlich sind.
ststs haben sich in den Jahren 2020/21 auf eine künstlerische Spurensuche begeben und ein Projekt entwickelt, das in ein Ausstellungsformat und eine Buchpublikation mündete. Nach dem Württembergischen Kunstverein ist der Kunstraum West in Ulm nun von 3. Februar bis 3. März 2024 die zweite Station. Für Ulm speziell und die vorhandene Raumsituation wurde ein Konzept entwickelt, das die Autobahnmeisterei Ulm-Dornstadt (am Ende des Autobahnabschnitts) einbindet. Die Ausstellung vereint fotografische und textbasierte Dokumente und Archivalien mit künstlerischen Arbeiten zu einer als Gesamtwerk erfahrbaren Rauminstallation mit verschiedenen Zugangsmöglichkeiten, affektiv und intellektuell.
Die Buchpublikation, ein „Autowanderführer“, inzwischen vergriffen, aber in die Ausstellung integriert, ermöglicht den Benutzenden ein eigenständiges Erkunden des Drackensteiner Hangs mit der Anleitung für das „Autowandern“, ein Begriff aus den Anfangszeiten der Planung der Nur-Autostraßen stammt, die keine Erfindung der Nationalsozialisten waren, auch wenn die Benennung in „die Straßen des Führers“ dies implizieren wollte.
Zusätzlich bieten ststs während der Ausstellungszeit geführte Autowanderungen an, basierend auf der synästhetischen Erfahrung der (für die Erbauer wichtigen) schwingenden Harmonie von Technik und Landschaft, stellen kritisch künstlerische Bezüge her und beleuchten anhand markanter Gesichtspunkte die Kontinuität eines „deutschen“ Phänomens, um das monumentalste und prestigeträchtigste Bauwerk des Dritten Reichs nicht als Denkmal oder Kunstwerk zu würdigen, sondern im Licht eines Mahnmals zeigen zu können.
Stef Stagel und Steffen Schlichter erarbeiten unter ststs gemeinsame Projekte und stellen seit 1994 – bereits während ihres Studiums an der Kunstakademie Stuttgart – gemeinsam aus. Jeweilige individuelle Ansätze und verwendete Medien verweben sich zu Produktionen gemeinsamer Urheberschaft. Besonders ortsspezifische Projekte stehen im Fokus des auch privat verbundenen Künstlerpaares, das in Kirchheim unter Teck lebt und arbeitet.